Statement des Fachgruppenrats Informatik zur Online-Klausur mit Videoüberwachung

Liebe Mitstudierende,

im Folgenden haben wir zuerst die Eckpunkte zur neuen Prüfungsform „Online-Klausur mit Videoüberwachung“ für euch zusammengefasst. Danach folgt noch unser Statement über diese Prüfungsform

Eckpunkte zu der Online-Klausur mit Videoüberwachung

Seit kurzem sind nun auch, neben den schon bekannten Formen, Online-Klausuren mit Videoaufsicht erlaubt. Diese beinhalten die Identitätsfeststellung am Anfang per Webcam, sowie eine dauerhafte Übertragung dieser wärend der Klausur. Die Übertragung soll nur den Aufsichtspersonen zugänglich sein und über BigBlueButton geschehen.
Vor Beginn der Prüfung kann, ebenfalls über Webcam, das Vorzeigen des Arbeitsbereichs verlangt werden. Eine Aufzeichnung ist hierbei in keinem Fall zulässig.
Bei (wiederholtem) Täuschungsverdacht kann die Aufsicht auch eine Bildschirmfreigabe oder sogar einen Raumschwenk mit der Kamera verlangen. Ohne konkreten Verdacht ist dies jedoch unzulässig! Wird diesen Aufforderungen nicht Folge geleistet, kann dies als Täuschungsversuch gewertet werden.
Vor diesen weitergehenden Eingriffen in die Privatsphäre soll die betroffene Person zunächst im privaten Chat angeschrieben werden, um ihr Verhalten per Audioübertragung zu erklären. Unter anderem aus diesen Gründen müssen die Prüflinge sicher stellen, dass sie die Nachrichten der Aufsichtspersonen mitbekommen.

Als Alternative die Online-Klausuren mit Videoüberwachung in den eigenen Räumen zu schreiben es die Möglichkeit geben, dieselbe Klausur in Räumen der Uni abzulegen.
Jeder Prüfling, der diese Alternative nutzen möchte, muss dies spätestens 7 Werktage vor der Klausur dem Prüfenden mitteilen. Falls die Uni dies jedoch nicht gewährleisten kann, durch z. B. unzureichende Anzahl an geeigneten Räumen, entfällt diese Alternative. Damit bleibt nur noch die ursprüngliche Möglichkeit, die Klausur in eigenen Räumen abzulegen, oder die Prüfung eigenverantworlich abzumelden und erst bei einem späteren Prüfungstermin in Präsenz zu schreiben.
Nach Ansicht der Uni gewährleistet dies, dass die Teilnahme an Online-Klausuren freiwillig ist und durch die Teilnahme an der Prüfung eine Zustimmung zur Videoaufsicht vorliegt.

Für Menschen, denen technische Geräte oder auch geeignete Räume fehlen (weil z.B.: ein Kleinkind mit im Haushalt lebt), gibt es Unterstützungsmöglichkeiten seitens der Uni. Auch dazu müssen Prüflinge sich spätestens 7 Werktage vor der Prüfung melden, möglichst aber früher.
Wie auch schon bei anderen Prüfungsformen gibt es die Möglichkeit Nachteilsausgleiche zu beantragen (z.B. bei körperlichen Beeinträchtigungen).

Auch die bekannten Regelungen zum Verhalten bei technischen Problemen aus den vergangenen Semestern gelten hier, also dass die Prüflinge den Prüfenden bei Problemen möglichst schnell Bescheid geben sollen. Die Prüfenden sollen dafür vorab einen Kommunikationskanal nennen.

Statement des Fachgruppenrats

Die grundsätzliche Beaufsichtigung mittels einer Webcam, sowie die Überprüfung der Identität sehen wir nicht als Problem, da dies im wesentlichen der Aufsicht in Präsenz entspricht. Außerdem darf nach Aussagen von Prof. Baumann der Blick auf den Hintergrund unkenntlich gemacht werden, zum Beispiel durch das Aufhängen einens Bettlakens oder mittels eines Unschärfefilters.

Jedoch empfinden wir, ebenso wie die Datenschutzbeauftragte des Landes Niedersachsen, den Raumschwenk als einen unverhältnismäßigen Eingriff in die private Lebenssphäre der Prüflinge.
Insbesondere, da viele Studierende bei ihren Familien, in WGs oder Wohnheimen leben, und dadurch ihr Arbeitsraum gleichzeitig auch ihr Schlafzimmer ist. Gerade für Menschen, die ohnehin Diskriminierungen erfahren, kann es äußerst unangenehm sein, fremden Menschen Einblicke in ihre privaten Schutzräume zu geben. Es gibt deshalb zwar die Möglichkeit, die Klausur in Uniräumen abzulegen, aber es ist nicht sichergestellt, dass dies auch wirklich zustande kommt.
Damit existiert als einzig sichere Alternative nur die Abmeldung von der Klausur, was wiederum eine Verlängerung der Studienzeit zur Folge haben kann. Dabei können erhöhte Kosten wie z. B. die Zahlung weiterer Semesterbeiträge und/oder Langzeitstudiengebühren entstehen. Es ist auch nicht auszuschließen, dass dadurch das berufliche Fortkommen gefährdet wird.

Insgesamt sehen wir daher die Teilnahme an Online-Klausuren mit Videoüberwachung NICHT als freiwillig an.

Ein weiteres Problem sehen wir im Fehlen einer allgemeinen Leitlinie zu Täuschungsversuchen.
Die Auslegungen der Prüfenden könnten dabei stark auseinander gehen und die Prüflinge könnten unter der ständigen Angst stehen, dass ihr Verhalten als Täuschungsverdacht angesehen wird. Diese Angst kann die Studierenden mental beeinflussen und in ihrer Prüfungsleistung mindern.
Dass die eigene Wohnung ein weniger kontrollierbares Umfeld als ein Raum in der Uni darstellt, weil zum Beispiel unerwartet der Paketdienst klingelt, kann dies zusätzlich noch verstärken.
Sollte es zu einem falschen Täuschungsverdacht kommen, würde immer die Aussage der Aufsicht gegen die des Prüflings stehen, da es, anders als bei einer Präsenzprüfung, keine anderen Prüflinge als Zeug*innen gibt. Dadurch wird ein späteres Anfechten des Täuschungsverdachts erschwert.

Zuletzt verbleibt bei uns die Frage, ob wir die Online-Klausur mit Videoaufsicht überhaupt benötigen.
Die Prüfungen in den letzten Semestern haben bereits gut funktioniert und trotz der Videoüberwachung bleibt es schwer, Täuschungsversuche zu erkennen. In Anbetracht dessen sehen wir die starken Eingriffe in die Privatsphäre während der Prüfung als nicht gerechtfertigt an.

Wir fordern deshalb alle Prüfenden dazu auf, keine Online-Klausur mit Videoüberwachung zu stellen und stattdessen auf die bisher etablierten Formen von Online-Prüfungen zurückzugreifen.

Alle Studierenden bitten wir wiederum uns Ihre Meinung zu Online Klausuren mit Videoüberwachung mitzuteilen und uns über anstehende Prüfungen in dieser Form zu informieren.
Außerdem helfen wir gerne dabei Härtefallanträge zu stellen oder Prüfende anzuschreiben, wenn ihr Unterstützungsmittel benötigt oder die Prüfung in den Räumlichkeiten der Uni ablegen wollt.

Der Fachgruppenrat Informatik